Naturschutzgebiet ´Untere Seeveniederung`
Die Untere Seeveniederung ist im Großen und Ganzen ein typisch ausgeprägter Teil der Elbmarsch mit Kleiböden im Norden des Gebiets, besonders in Elbnähe auch mit Sand durchmischt, und großflächigen Niedermoorbildungen im elbfernen Südteil. Aber auch hier findet man sandige Flächen als Ablagerungen der Seeve und des Ashausener Mühlenbaches.
Das Naturschutzgebiet wird im Süden vom hohen Damm des Rangierbahnhofes Maschen, im Westen vom Herrendeich, im Norden vom Elbdeich und im Osten vom Achterdeich begrenzt. Während Herrendeich und Achterdeich seit Jahrhunderten bestehen, ist der Elbdeich mit dem Seevesiel erst Mitte der 60-er Jahre und der Rangierbahnhof Maschen erst Anfang der 70-er Jahre entstanden. Durch den Bau des Elbdeiches und des Seevesieles wurde die im Zuge der Erhöhung des Tidehubes zu beobachtende Vernässung des Gebietes aufgehalten. Bereits entstandene Brachflächen mit Röhricht und Ried, besonders am Ashausener Mühlenbach, konnten wieder in Nutzung genommen werden.
Derzeit wird der weitaus überwiegende Teil der Fläche des NSG als Grünland genutzt. Lediglich im Norden des Junkernfeldes (der Nordwestteil des Gebietes) sowie südlich von Hörsten sind einige Äcker und Gemüsebauflächen vorhanden. Das Junkernfeld befindet sich als Domänenland überwiegend im Eigentum des Landes Niedersachsen. Für diesen Teil des NSG wurden mit den Pächtern Vereinbarungen über eine weniger intensive Nutzung getroffen. Der Teil südöstlich der Seeve, die Steller Wiesen, sind überwiegend Privateigentum und werden meist sehr viel intensiver genutzt. Viele Flächen werden stark gedüngt, besonders unter Einsatz von Gülle, und schon im letzten Maidrittel das erste Mal gemäht. Es folgen meist noch zwei oder gar drei weitere Schnitte.
Abgesehen von einer Vielzahl von Gräben sind die Unterläufe von drei Fließgewässern im Gebiet vorhanden: Der Kohlenbach, der Ashausener Mühlenbach und die Seeve. Wenn bei Flut das Tor des Seevesiels geschlossen ist, stauen die Gewässer zurück und überfluten die bei Ebbe und offenem Siel trocken gefallenen Schlick- und Sandflächen im Unterlauf von Seeve und Mühlenbach.
Im NSG befinden sich drei große Stillgewässer, nämlich zwei während des Baus des Güterbahnhofes Maschen entstandene Baggerseen und das Over Brack.
Die Seeveniederung war niemals ohne Gehölze. Einige sehr große Silberweiden. die z. T. auf den Kopf gesetzt worden sind, einige uralte Weißdornhecken und die großen Pappeln entlang des Mühlenbaches zeugen davon. Aber in den letzten 20 Jahren hat sich der Gehölzbestand erheblich verdichtet. Entlang vieler Wege und Gräben hat der Weiden- und Erlenaufwuchs Baumstärke und Höhe erreicht und die Anpflanzungen um die ehemaligen Ölplattformen im Junkernfeld sind heute Gehölzinseln. Um die beiden Baggerseen herum befinden sich mehr oder minder starke Gehölzsäume (s.o.) die am Steller See besonders auf den "Leseborn" Waldcharakter erreicht haben. Das gute Wachstum der Gehölze hat negative Auswirkungen auf den Bestand der Wiesenvögel, deren Vorkommen ein Hauptgrund für die Unterschutzstellung der Niederung war.
Flora und Fauna
© Robert Emmerich / www.pixelio.deGründe für die Unterschutzstellung waren und sind vor allem die bemerkenswerten Bestände verschiedener Feuchtwiesenpflanzen und das Vorkommen von Wiesenvögeln. Herausragend dabei ist die zu den Lilien zählende Schachblume (Fritillaria meleagris) mit ihren großen rötlichen oder weißen Blütenglocken. Mit rund 1 Million blühreifen Exemplaren (Schätzung des Autors nach Erhebungen des Landkreises Harburg seit 1990) befindet sich in der Seeveniederung trotz mancher Einbußen in der Vergangenheit der größte Bestand Deutschlands dieser in Niedersachsen stark gefährdeten Pflanzenart.
Zur Blütezeit (Mitte April bis Mitte/Ende Mai kann von einem Steg aus Deutschlands bedeutenster Schachblumenbestand erlebt werden. Der Beobachtungssteg wurde über das Programm "Natur erleben" gefördert und ermöglicht einen Zugang zu den blühenden Pflanzen.
Es wird jährlich von Mitte April bis Mitte/Ende Mai installiert. Informationstafeln geben ganzjährig Auskunft über das Vorkommen dieser besonderen Pflanze und die Besonderheiten der Natur in der Seeveniederung.
Daneben kommen weitere Arten bestandsbildend vor, die heute anderenorts stark zurückgehen, z. B. Wiesen-Knöterich (Polygonum bistorta), Kuckucks-Lichtnelke (Lychnis flos-cuculi), Wiesen-Schaumkraut (Cardemine pratensis) und Sumpfdotterblume (Cahltha palustris; RLN 3).
Leider hat die Bedeutung der Seeveniederung als Brutgebiet für Wiesenvögel in den letzten 20 Jahren stark nachgelassen, so z.B. für den Kiebitz, Uferschnepfe, den Großen Brachvogel, Rotschenkel und Limikolen.
Besser sieht es für die "kleinen" Wiesenvögel aus, zu denen Feldlerche, Wiesenpieper, Schafstelze und Braunkehlchen zählen. Besonders die beiden erstgenannten kommen in einigen Abschnitten, so die "Bahnhofswiesen" und die Feldlage "Dackels", häufig vor. In manchen Jahren ist (in den Bahnhofswiesen) auch der Wachtelkönig vorhanden (WESTPHAL, U., mündlich). In Anbetracht des völligen Verschwindens von Wiesenvögeln aus vielen Teilen des Umlandes ist dem NSG noch ein Rest von Bedeutung geblieben.
Andere Elemente der Flora finden auch heute noch gute Lebensbedingungen in der Seeveniederung. Mit der Zunahme von Gehölzen haben sich Vogelarten verbreitet, die Büsche und Bäume als Brutplatz nutzen. Ein Beispiel hierfür ist die Beutelmeise. Sie baut ihre kunstvollen Nester an die Enden von herabhängenden Zweigen, zumeist von Weiden oder Birken. Dabei bevorzugt sie Nistplätze in unmittelbarer Nähe von Wasser.
Im Bereich der Baggerseen, vor allem am naturnah gestalteten Westufer des Steller Sees (auf dem Leseborn) brüten Wasservögel, wie Haubentaucher, Graugans, Höckerschwan und einige Entenarten. Außerdem kommen Wasserfrösche (Rana 'esculenta') und Seefrösche (Rana ridibunda) vor. Besonders der Wasserfrosch ist häufig, während ansonsten überall vorkommende Arten wie Grasfrosch und Erdkröte weitgehend fehlen. Auf dem feuchten Grünland ist die Sumpfschrecke (Mecostethus grossus)stellenweise häufig.
Einige Vogelarten brüten zwar nicht in der Seeveniederung, suchen sie jedoch regelmäßig zur Nahrungsaufnahme auf. Hierzu zählen Graureiher, Weißstorch, Kormoran, verschiedene Greifvögel, Schwalben und Mauersegler. Im Winterhalbjahr, besonders wenn im Verlauf des Mühlenbaches überschwemmte Bereiche vorhanden sind, trifft man rastende Limikolen, (Bekassinen, Uferschnepfen, Kampfläufer, oder Rotschenkel) sowie Gänse und Enten an.
Kiebitze und Uferschnepfen sind zur Brutzeit (ca. April bis Juni) regelmäßig noch im äußersten Norden des NSG, fast am Elbdeich, zu sehen. Man beobachet sie am besten von der Westseite, vom Herrendeich südlich Over, aus. Große Brachvögel brüten im mittleren Junkernfeld, und den Balzflug der Bekassine kann man auch in den Bahnhofswiesen beobachten.
Beeinträchtigungen und Entwicklung
Die oben beschriebene, teilweise noch recht intensive Nutzung des Grünlandes (von den Äckern einmal ganz abgesehen) auf den privateigenen Flächen ist mitverantwortlich für die schlechte Situation der Wiesenvögel, aber auch für den stellenweise Rückgang der Schachblume und anderer Feuchtwiesenpflanzen. Beeinträchtigungen der Wiesenvogelbestände ergeben sich auch aus der zunehmenden Verbuschung einiger Teile des NSG, aus dem Bau von Überlandleitungen sowie aus dem zunehmenden Besucherandrang.
Will man den Zustand der NSG verbessern, ist eine weitere Extensivierung der Nutzung (u.a. mit dem Verbot der flächigen Bodenbearbeitung im Frühling und einem frühesten Mahdtermin am 15. Juni) erforderlich.
Daneben sollten Freileitungen um das Gebiet herumgelegt oder als Erdkabel ausgeführt werden. Der Verbuschung ist mit Entkusselungsmaßnahmen zu begegnen, und schließlich ist eine wirkungsvolle Lenkung der Besucherströme anzustreben.
SEHENSWÜRDIGKEITEN
- Beobachtungsturm
Am Südende des Junkernfeldsees befindet sich ein Beobachtungsturm, von dem aus der gesamte See überblickt werden kann. Fast zu jeder Jahreszeit können von hier aus verschiedene auf dem Gewässer rastende Entenarten, Bless- und Teichhühner, Nahrung suchende Graureiher und Haubentaucher, Schwäne, Gänse und viele weitere Vogelarten beobachtet werden. Im klaren Wasser unterhalb des Turms sind teilweise sehr goße Fische zu sehen.
- Beobachtungsunterstand
Am Westufer des Steller Sees wurde im Zuge der Renaturierung (s.o.) ein Beobachtungsunterstand gebaut. Er bietet einen Blick über den größten Teil des Sees, ohne dass man selbst gesehen wird. Von hier aus ist häufig ein noch größerer Reichtum an Vogelarten zu sehen als auf dem Junkernfeldsee. Wer Glück hat, bekommt den Eisvogel zu Gesicht, der in manchen Jahren unweit des Unterstandes in einer künstlichen Steilwand brütet.
- Industriedenkmal
Am Südrand des NSG, wo der vom Junkernfeld über die Fachenfelder Brücke und entlang des Leseborns führende Weg auf das Gelände des Güterbahnhofs trifft, steht eine der ehemals für das Gebiet typischen Ölpumpen (Nickesel) als Industriedenkmal. Schautafeln informieren über Ausmaß und Dauer der Ölförderung.
Im gesamten Naturschutzgebiet ist es verboten, die für Wanderungen vorgesehenen Wege zu verlassen. Ebenso ist es nicht gestattet, Hunde frei laufen zu lassen.
Das Naturschutzgebiet ist bequem auch per Bahn zu erreichen (Station Maschen). Nach Verlassen des Bahnhofes befindet man sich bereits am Südrand des NSG. Die Wege im Gebiet und um das Gebiet herum sind überwiegend befestigt und nahezu bei jedem Wetter gut begehbar.
Gebäude, Institutionen, sonstige Einrichtungen
- Bahnhof Maschen, Hörstener Straße, 21220 Seevetal
- Parkplatz Junkernfeldsee, Zum Junkernfeld, 21217 Seevetal